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 Christian v. Ditfurth
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Aus Rezensionen
über "Mit Blindheit geschlagen":

"Mehr als einmal fragt sich Stachelmann, ob es nicht besser gewesen wäre, wenn ihn vor Jahren eine anmutige Staublunge heimgeholt hätte. Das aber wäre für ihn und anspruchsvolle Krimileser wie uns ausnehmend schmerzlich gewesen."
Die Welt

"Schnell ist man hierzulande mit Etiketten wie 'der deutsche Mankell' bei der Hand ... Abgesehen davon, dass sich mit dem Ditfurth-Stoff die Nächte ebenso trefflich kürzen lassen, wird man dem Autor damit nicht gerecht. Seine Figur ist unverwechselbar."
Westdeutsche Allgemeine Zeitung

"Ein kenntnisreich erzählter, süffig geschriebener, atmosphärisch starker Kriminalroman"
Deutsche Welle

"Reihum glänzende Kritiken"
Darmstädter Echo

"Mit seinem Stachelmann hat Ditfurth der deutschen Krimiszene einen Charakter geschenkt, der sich hoffentlich oft in den Gespinsten deutscher Vergangenheit verfängt."
Kieler Nachrichten

"Auch in seinem zweiten Stachelmann-Krimi zeigt sich von Ditfurth als einer der besten deutschen Krimiautoren."
Max

"Dieser unfreiwillige Ermittler und sein Autor gehören zum Besten, was die deutsche Krimilandschaft derzeit zu bieten hat."
Nordkurier

"Der muffelige Geschichtsprofessor ist mir irgendwie ans Herz gewachsen."
Brigitte

"Dieser Krimi ist intelligent, mit Rückblenden und Schnitten geschickt aufgebaut und sehr, sehr spannend."
Lübecker Nachrichten

"Was Josef Maria Stachelmann zutage fördert, wirft ein helles Licht auf das, was bisher im Dunkeln blieb."
Badische Zeitung

"Ausgesprochen gut recherchiert, unterhaltsam geschrieben und spannend. ... Das Szenario erscheint erschreckend real."
NDR Info

"Wir lesen, und sofort werden wir in die Handlung gesogen; die Spannung steigt, ... und am Schluss werden alle Fäden entwirrt, logisch überzeugend."
Gießener Allgemeine

"Der wohl sympathischste und glaubwürdigste Ermittler, der derzeit auf dem deutschen Krimimarkt zu haben ist"
amazon.de

"Das Finale ... schreit nach Verfilmung."
Sächsische Zeitung

"Der Krimi fesselt einen so sehr, dass man ihn gar nicht mehr aus der Hand legen möchte."
dpa

"Stachelmanns zweiter Fall ... zeigt: Beim Krimi lohnt Umsteigen auf deutsche Autoren!"
Buchmarkt

"Dieser ungewöhnliche Krimi besticht durch eine exzellente Dramaturgie."
Buchrezensionen online

"Eine spannende und schlüssige ... Geschichte, wie sie nur in Deutschland spielen kann."
Kölner Stadtanzeiger

"Ein böses Sittengemälde aus Deutschland."
Der Standard (Wien)

"Beklemmendes historisches Kolorit"
Zofinger Tagblatt
/ Mittelland-Zeitung (Schweiz)

 Rezensionen

 

Aus Rezensionen
über "Mann ohne Makel":

"Ein packender Krimi, der zeigt, dass deutsche Autoren mit deutschen Themen bestens gegen internationale Konkurrenz bestehen können."
Focus

"Ein erstklassiger Roman"
Brigitte

"Ein höchst intelligenter, spannender und lesenswerter Krimi"
WDR 4 Radio

"Wünscht man sich also noch mehr Fälle für Josef Maria Stachelmann."
Die Welt

"Wallander ... hinterlässt eine schmerzende Lücke bei Krimilesern. Vielleicht aber gibt es Trost. Der kommt aus Hamburg, heißt Josef Maria Stachelmann und ist Historiker."
NDR Fernsehen

"Vielleicht macht gerade diese Mischung aus Menschen- und Geschichtskenntnis das Buch vom 'Mann ohne Makel' so unterhaltsam und spannend zugleich."
WDR 2 Radio

"Virtuos verwebt"
Südkurier

"Ein deutscher Thriller vom Feinsten"
Wilhelmshavener Zeitung

"Superspannend"
Rheinische Post

"Deutschlands Antwort auf Henning Mankell"
playboy

"Eine packende Geschichte!"
Hamburger Abendblatt

"Lässt ... auf weitere Ermittlungen dieses auf sympathische Weise zerknitterten Historikers in der Rolle des Amateurdetektivs hoffen."
NDR Radio 3

"Hohes Suchtpotential"
Saarbrücker Zeitung

"Spannende Krimi-Geschichte"
Hannoversche Allgemeine

"Grausam genug, dass das spannend sein kann"
Badische Zeitung

"Angenehm ist es, im Leben oder im Buch einen Menschen zu finden, den man auf Anhieb sowohl interessant als auch sympathisch findet."
Sächsische Zeitung

"Mit dem stets vom privaten und beruflichen Scheitern bedrohten Uni-Dozenten (...) besetzt von Ditfurth eine vakante Stelle unter den literarischen Ermittlern."
Nordkurier

"Der erste Krimi überhaupt mit einem Historiker als Detektiv"
Lübecker Nachrichten

"Kunststück bravourös gelungen"
dpa

"Einen Stachelmann erfindet man schließlich nicht alle Tage."
Kölner Stadt-Anzeiger

"Makellos spannendes Werk"
Hersfelder Zeitung

"Es ist eines dieser seltenen Bücher, bei denen man nicht nur gut unterhalten wird, sondern auch noch viel Geschichtswissen vermittelt bekommt."
Pforzheimer Zeitung

"Eine wirklich neuartige Figur in der Krimiwelt"
P. S.

"Vermag die Lektüre ums bittere Erbe der Naziväter angenehm leichtgängig zu unterhalten"
Bremer

"Unnachahmlich"
Buchmarkt

 Rezensionen

 

 

"Wir sagen nur das Positive"
Die evangelische Landeskirche Sachsens und die SED


Im März 1989 schrieb SED-Genosse Walter Fuchs, stellvertretender Ratsvorsitzender für Inneres im Bezirk Dresden, einen langen Brief an den Staatssekretär für Kirchenfragen, Kurt Löffler, in Berlin. Eine Kopie ging auf direktem Weg an die Bezirksverwaltung für Staatssicherheit, eine weitere an die Bezirksleitung der SED. Fuchs' Brief, von der ersten bis zur letzten Zeile ein Dokument der Hilflosigkeit, befaßt sich nur mit einer einzigen Person: mit Christof Ziemer, dem Superintendenten der sächsischen Landeskirche in Dresden-Mitte und Pfarrer an der dortigen Kreuzkirche. Er widerstand allen Disziplinierungsversuchen des Staates und seiner Kirchenleitung und unterstützte die unabhängigen Friedens-, Ökologie- und Ausreisegruppen in seinem Amtsbezirk. Die Peitsche hatte nicht geholfen, und das Zuckerbrot verschmähte der Mann auch. Das verblüffte die Einheitssozialisten, und so notierte Walter Fuchs: "Im Gegensatz zu anderen Pfarrern hat er Staatsvertreter noch nie um Unterstützung in persönlichen Belangen gebeten."
Ziemer ließ sich nicht durch Wohltaten der SED verstricken und widerstand der Doppelstrategie, welche die Kommunisten verfolgten bei ihrem Ziel, den Einfluß von Kirche und Religion zurückzudrängen, damit es beides eines Tages nicht mehr gäbe. Die Kirche sei dem Sozialismus "nicht wesenseigen" und Religion Opium für das Volk, erklärten sie und bespitzelten argwöhnisch, was in Kirchen und Pfarrhäusern geschah. Nur dort konnten sie ihre führende Rolle, die sie sich selbst verordnet hatten, nicht spielen. Nirgendwo sonst im Ulbricht-und-Honecker-Staat stieß das Ideologiemonopol des Marxismus-Leninismus an Grenzen.
Es war nicht überraschend, daß dieser begrenzte Freiraum vor allem Jugendliche anzog, die mit FDJ und SED nichts zu tun haben wollten. Inspiriert auch durch die Friedensbewegung im Westen, gründeten sie seit Anfang der achtziger Jahre unter dem Schutz von Kirchen unabhängige Friedens-, Umwelt- und Bürgerrechtsgruppen. Einige Pfarrer machten mit. Anfang 1982 veröffentlichte Rainer Eppelmann, heute CDU-Bundestagsabgeordneter, zusammen mit dem marxistischen Systemkritiker Robert Havemann den "Berliner Appell", einen Aufruf zur Abrüstung in Ost und West. Sein Dresdener Kollege Christoph Wonneberger forderte einen Sozialen Friedensdienst (SOFD) für Kriegsdienstverweigerer, die als Bausoldaten der Nationalen Volksarmee (NVA) zwar keine Waffen tragen mußten, aber oft für militärische Zwecke eingesetzt wurden.
Die SED und ihre Hilfstruppen, vor allem die Stasi und die Blockpartei CDU, wollten in der Öffentlichkeit den Eindruck vermeiden, sie führten einen Kirchenkampf. Das hätte dem internationalen Ansehen der DDR geschadet und die reputationsfördernde Reiselust der Bischöfe des Bundes der Evangelischen Kirchen (BEK) gedämpft. Statt dessen bemühten sich die Kirchenbearbeiter, "progressive" und "loyale Kräfte" zu stärken und die "feindlich-negativen Kreise" zu "entlarven" und "zurückzudrängen". Der Streit über Anpassung oder Widerstand sollte nach dem Willen von SED und Stasi innerhalb der Kirche ausgetragen werden. Die Mitarbeiter im Sektor Staatspolitik in Kirchenfragen bei den Bezirksräten und die Abteilung Inneres bei den Kreisräten waren angewiesen, möglichst oft Pfarrer und Superintendenten aufzusuchen oder zu Gesprächen zu bitten, um sie durch Locken und Drohen unter ideologischen Dauerdruck zu setzen. Die Staatssicherheit sammelte Informationen und "zersetzte", wo sie Widerstand witterte. Immer wieder mahnten die Funktionäre, das Staat/Kirche-Verhältnis nicht zu belasten. Kirche sollte Kirche % bleiben, das Evangelium verkünden und sich in Belange von Partei und Regierung nicht einmischen. Wer loyal zur DDR stand, konnte sich mancher Vergünstigungen erfreuen. Darunter auch dieser oder jener Bischof.
Der langjährige Thüringer Landesbischof Mitzenheim zum Beispiel, bekannt als "roter Moritz", hatte sich von keinem Kirchenfürsten übertreffen lassen, wenn es darum ging, der SED zu helfen in ihrem Kirchenkampf neuen Typs. Zusammen mit seinem Berater, Oberkirchenrat Gerhard Lotz, von der Stasi als Inoffizieller Mitarbeiter (IM) "Karl" geführt, Hauptvorstandsmitglied der Block-CDU und Volkskammerabgeordneter, drängte es den Mercedesfahrer, die antisozialistischen Kräfte in seiner Landeskirche und darüber hinaus zurückzuschlagen. In Kirchenkreisen hielt sich die Beliebtheit des Bischofs deshalb und wegen seiner zahlreichen Alleingänge in engen Grenzen. 1970 ging er in den Ruhestand.
Kurz darauf informierte des Altbischofs Sohn, Hartmut Mitzenheim, IM "Hans Klinger", ein verdienter Funktionär des Erfurter CDU-Bezirksverbands, die Abteilung Kirchenfragen seiner Partei in Berlin über einen betrüblichen Umstand: Das Fernsehgerät seines Vaters sei kaputt. Dieser werde "sicherlich traurig sein", wenn er zum Geburtstag kein neues bekomme. Außerdem lebe das Ehrenmitglied der CDU von einer monatlichen Pension in Höhe von 600 Mark - weit mehr als ein DDR-Rentner erhielt. Der Abteilungsleiter schlug vor, dem Bischof im Ruhestand monatlich 150 Mark zukommen zu lassen "als Aufwandsentschädigung für seine doch immer noch recht häufigen gesellschaftlichen Aktivitäten". Gehen wir davon aus, daß die Ost-CDU ihren Lieblingsbischof nicht im Regen stehen ließ. In den Archiven dürften sich noch zahlreiche Belege solcher Freundesgaben befinden. Grund zur Sorge also für manche kirchliche Würdenträger.
Auch für den Bischof der sächsischen Landeskirche, Johannes Hempel? Jedenfalls schickte er dem Autor wenige Tage nach dessen Recherchen im Sächsischen Hauptstaatsarchiv in Dresden ein Einschreiben. Darin heißt es unter anderem: "Vertreter unserer Landeskirche haben immer wieder einmal Kontakt zum Sächsischen Staatsarchiv (...). Dabei nahmen wir neulich wahr, daß Sie auch recherchieren. (...) Ich hoffe, daß die Anlagen und mein Brief Ihre Recherchen ergänzen können."
Dazu legte der Bischof sieben Seiten aus seiner Stasiakte, Operativer Vorgang (OV) "Großer", die "reichlich 400 Blatt" umfaßt. Der Bischof der größten ostdeutschen Landeskirche ahnte wohl, was in den Akten der Bezirksräte Leipzig und Dresden zu finden sein würde. Und den Tip, daß der Autor sich mit seiner Person befaßt, hat er von der Archivleitung.
Aus den sieben Seiten seiner Stasiakte sei vor allem wiedergegeben, was Johannes Hempel eigenhändig markiert hat: So schickte er eine Seite 3 aus einem nicht identifizierbaren Vorgang, dem Jargon und dem Inhalt nach ein Stasidokument von Ende 1979. Darin wird Hempel zur Last gelegt, die Selbstverbrennung des Pfarrers Oskar Brüsewitz im August 1976 als politische Tat hingestellt und "dem Staat praktisch die Schuld" gegeben zu haben. Außerdem habe er Verbindungen zu Journalisten der BRD und zu Mitarbeitern von deren Ständigen Vertretung in der DDR. In einem Interview mit der "Rheinischen Post" gehe Hempel "von der vom Bund (der Evangelischen Kirchen in der DDR; d. Verf.) vertretenen Formulierung, daß die Kirche der DDR Kirche im Sozialismus ist und nicht neben oder gegen den Sozialismus, ab und bezeichnet Kirche im Sozialismus nur als geographischen Raum. Weitere Verbindungen bestehen zu dem kirchlich antikommunistisch geprägten Hetzblatt 'idea' in Wetzlar, welchem er ebenfalls ein Interview gewährte." Schließlich habe Hempel sich am 3. Dezember 1979 in der Bischofskanzlei mit Vertretern der Ständigen Vertretung getroffen. "Es handelte sich um vier Personen, die Hempel empfing und dieses weitgehend gegenüber den Mitarbeitern verschwieg."
Diese Einsichten veranlaßten die Dresdener Bezirks Verwaltung für Staatssicherheit im Februar 1980, einen Operativen Vorgang zu beschließen mit der Begründung , daß Hempel "sich im verstärkten Maße zum Ausgangspunkt von kirchlichen Maßnahmen gegen die Politik unserer Regierung entwickelte". Kontakte mit Westpolitikern und -diplomaten erfüllten in den Augen der Überwacher den Tatbestand des Landesverrats. Folgerichtig setzte das MfS zehn IMs auf den Bischof an, unter anderem zur "Aufklärung und Dokumentierung aller Verbindungen des Bischof Hempel zu Dienststellen der BRD (...)" und zur "Organisierung von Maßnahmen progressiver Amtsträger und Gruppierungen zur Bloßstellung in den Kreisen der Theologen und der Fortführung des Differenzierungsprozesses".
Im Februar 1985 legte die Dresdener Stasi-Bezirksverwaltung weitere Maßnahmen "zur ständigen Kontrolle" fest, unter anderem: "In Zusammenarbeit mit den Kreisdienststellen wird das Auftreten von Hempel in Gemeinden des Bezirkes unter Kontrolle gehalten und seine politische Wirksamkeit dokumentiert."
Im Sommer 1989, als die SED-Dämmerang unübersehbar eingesetzt hatte, gab Hempel wie viele andere DDR-Bürger, darunter nicht wenige SED-Funktionäre, die Hoffnung auf, daß die an größtmöglichem Wirklichkeitsverlust leidenden Politbürokraten zu Reformen fähig seien. Ein IM berichtete von einem Superintendentenkonvent am 9. Mai 1989, der Bischof befürchte, daß es in der DDR "in nicht allzulanger Zeit gewaltsame Auseinandersetzungen" geben werde. Auch ein Kirchenkampf "stehe unmittelbar bevor". Hempel unterstütze die Bürgergruppen, die die Fälschung der Kommunalwahlen vom 8. Mai aufgedeckt hätten. Er beklage sich, "bis heute noch keine befriedigende Antwort erhalten zu haben auf einen Brief, den er wegen der Wahlen an den 1. Sekretär der Bezirksleitung (der SED; d. Verf.) gerichtet habe". Schließlich habe sich der Bischof "grundsätzlich gegen die Polizeimaßnahmen ausgesprochen", die sich gegen Teilnehmer an den Friedensgebeten in der Leipziger Nikolaikirche richteten.
Laut dem vom Bischof mitgelieferten Deckblatt war der OV übrigens bereits am 7. März 1985 geschlossen worden. Hatte sich die stets übermißtrauische Stasi davon überzeugt, daß der Bischof doch zu den "loyalen Kräften" zu zählen war, oder hatte der Kirchenfürst in der ersten Hälfte der achtziger Jahre seine Position geändert? Viele Dokumente aus DDR-Beständen stützen die Schlußfolgerung, daß er jedenfalls schon vor der Beendigung des OV "Großer" begann, auf ein gutes Einvernehmen mit dem Staat zu setzen. Warum, sagen die Akten nicht.
In einem Zeitungsinterview im Februar 1992 erklärte Hempel: "Wir Sachsen waren zäh und hielten Distanz zum Staat, auch traten wir mannschaftlich auf; aber wir sind keine Helden gewesen." Andererseits pflegte der Bischof intensive Kontakte zu Staatsfunktionären, vor allem in Dresden, wo er wohnte und seinen Dienstsitz hatte. Er ließ es sich nicht nehmen, auch persönliche Anliegen Vertretern des Bezirksrats vorzutragen. Am 25. Mai 1987 beispielsweise teilt Hempel dem Sektor Kirchenfragen mit, daß er Besuch bekomme und fragt, ob der Rat des Bezirks ihm drei Karten für die Semperoper geben könne - diese Billets waren so knapp wie Trabis und Bananen. Selbstverständlich erhält der Bischof die gewünschten Opernkarten.
Diese Freundlichkeit ermutigt ihn, denn schon kurz darauf schreibt er an einen Mitarbeiter des Sektors Kirchenfragen: "Wieder einmal komme ich mit der Anfrage und Bitte zu Ihnen, mir bei der Beschaffung von Karten für die Semperoper behilflich zu sein." Er erwarte zwei Gäste aus den Niederlanden. "Vier Karten wären besser, aber ich möchte Ihr Entgegenkommen auch nicht über Gebühr ausnutzen." Und weil er schon einmal am Schreiben ist, fügt er an: "In der Zeit vom 25. August bis 10. September 1987 sind Bischof Dr. Gienke und Frau aus Greifswald unsere Gäste. Auch sie haben schriftlich die Bitte an mich herangetragen, einmal in die Semperoper gehen zu können. Das bedeutet wieder die Bitte um zwei Karten. Mit dankbarem Gruß, Ihr Johannes Hempel." Die Ausbeute des Bittbriefs dürfte den bischöflichen Opernfan begeistert haben. Er bekam - natürlich vier - Karten für Richard Wagners "Lohengrin", und auch Bischof Horst Gienke, IM "Orion", ging nicht leer aus.
Der Dresdener Kirchenfürst pflegte seine Distanz zum Staat auch bei Reiseangelegenheiten. Am 2. Januar 1987 berichtet Hempel dem staatlichen Kirchenbearbeiter, sein in Hamburg lebender Bruder Gerhard habe am 18. Februar Geburtstag. Er selbst beabsichtige zuvor eine Dienstreise nach England und wolle von dort aus in die Hansestadt kommen, seine Frau aber werde von Dresden aus zur Feier fahren. "Meine Bitte ist, ob Sie die Paßstelle in Blasewitz/Goetheallee von der besonderen Situation und dem bevorstehenden Antrag meiner Frau vorbereitend in Kenntnis setzen könnten?" Und weil die bischöfliche Ehegattin im Gegensatz zu einem J) gewöhnlichen DDR-Bürger, sofern dieser überhaupt in den Westen reisen durfte, keine Zeit auf unwirtlichen Polizeidienststellen verbringen sollte, beugte Hempel möglichen Komplikationen gleich vor: "Meine Frau muß allerdings am Montag, den 5. 1., vormittags, schon hingehen. (Notfalls ginge es gerade noch am Freitag, den 9.1.)."
Schon 1979 hatte Bischof Hempel dem Rat des Bezirks seinen größten Wunsch mitgeteilt und um Hilfe gebeten, ganz distanziert natürlich. Nicht weniger als ein Eigenheim begehrte der Bischof, der Staat möge ihm ein schönes Haus suchen, das er kaufen könne. Als Begründung präsentierte er eine ärztliche Bescheinigung, aus der hervorgeht, daß er an Asthma bronchiale leidet: "Die Anfälle hängen vor allen Dingen mit den ungünstigen » meteorotropen Verhältnissen im Elbtalkessel Dresden zusammen. Von ärztlicher Seite wird daher eine Veränderung der Wohnungssituation dringend empfohlen."
Auch dieses Attest lag im bischöflichen Einschreiben an den Autor. Dazu die Erläuterung: "Ich übergebe Ihnen hiermit eine ärztliche Bescheinigung aus dem Jahre 1979, die die Grundlage meines Antrages beim damaligen Oberbürgermeister (es war noch ein Herr Schill) um Wohnraum 'auf der Höhe' um Dresden war. (...) Danach geschah jahrelang gar nichts; wir haben auch bewußt nicht gedrängelt. Nach mehreren Jahren bekam die Landeskirche vom Oberbürgermeister der Stadt Dresden (damals Berghofer) gleich drei Häuser zur Auswahl (...)." Die Akten vom Rat des Bezirks besagen, daß die Stadtverwaltung dem Bischof zu Schills Zeiten ungeeignete Objekte anbot.
Der neue OB, Wolfgang Berghofer, schritt auf Anweisung der Bezirksratsvorsitzenden zur Tat. Der OV war geschlossen, der Bischof aus der Liste der SED-Feinde gestrichen, und schon klappte die Eigenheimaktion. Zuckerbrot statt Peitsche.
Am besten gefiel dem Bischof ein Haus in der Hutbergstraße, im Stadtteil Rochwitz, schön im Grünen gelegen, drei Etagen, sechs Zimmer und 700 Quadratmeter Garten. Es hatte einem Ehepaar gehört, das in den Westen ausgereist war und sein Anwesen zuvor dem Staat verkauft hatte. Es war mit 145 000 Mark zwar teurer, als der Bischof es sich erhofft hatte, aber auch für diesen Fall wurde eine Lösung gefunden: Das Landeskirchenamt (LKA) sollte das Haus kaufen und seinem Bischof ein lebenslanges Wohnrecht gewähren.
Am 10. Juni 1988 setzten sich Bischof Hempel, Oberlandeskirchenrat Eberhard Schlichter und Walter Fuchs im Bischofssitz zusammen, um das Eigenheimprojekt voranzutreiben. Aber dann, als alles geregelt schien, wurde der Bischof auf einmal wankelmütig. Zum Erstaunen der Staatsorgane ließ er sich viel Zeit mit der Unterschrift unter den Kaufvertrag. Der Grund: Ihm waren noch ein paar Wünsche eingefallen. So wollte er unbedingt an die Erdgasleitung angeschlossen werden und hatte sich im Westen schon einen modernen Umlauferhitzer der Firma Vaillant ausgeguckt, den er über die Genex einführen wollte, eine für Spezialimporte aus dem Westen gegründete Firma im Reich der Kommerziellen Koordination des Alexander Schalck-Golodkowski.
w Aber trotz massiver Unterstützung des Genossen Fuchs erzielte der Bischof nur einen Kompromiß: Die Verlegung einer Gasleitung nach Rochwitz überstieg die ohnehin mehr als angespannten Kapazitäten des VEB Energiekombinat Dresden, für eine Elektrozusatzheizung aber reichte es gerade noch. Teuer genug: Folgt man den Angaben eines Schreibens des zuständigen Sachbearbeiters im Energiekombinat an das Landeskirchenamt, dann kostete der knappe Elektrospaß runde 250 000 Mark. Wieviel es am Ende auch gewesen sein mögen, das war der Bischof dem Bezirksrat wert.
Schließlich erwirkte das Landeskirchenamt noch die Verlegung eines Telefonanschlusses für das neue Haus, auch dies eine Rarität, auf die ein nichtbischöflicher DDR-Bürger Jahre bis Jahrzehnte warten mußte, wenn er denn überhaupt einen Fernsprechanschluß erhielt. Am 28. November 1988 war der Bischof zufrieden und unterzeichnete den notariellen Kaufvertrag.
Die bischöfliche Distanz zum SED-Unrechtsregime ging weit hinaus über private Wünsche und Kümmernisse. Daß der Bischof heute den Vorwurf der Kumpanei mit dem SED-Staat so vehement zurückweist, ist dennoch erklärbar. Schließlich hat er den realen Sozialismus ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr als Feind empfunden, nicht einmal als aufgezwungene Umgebung, auch wenn ihn wie jeden anderen DDR-Bürger ideologischer Stumpfsinn und politische Tumbheit der verkalkenden Greise im Gebäude des Zentralkomitees der SED hin und wieder auf die Palme trieb. Nein, Kumpanei gibt es nur mit einem Gegner, die SED und ihr Regime aber waren Hempels gewollte Obrigkeit. Die Aufpasser im Staatssekretariat für Kirchenfragen, in den Bezirks­und Kreisräten waren denn auch zufrieden mit dem Bischof, einem der bedeutendsten geistlichen Repräsentanten des Arbeiter-und-Bauern-Staats: seit 1972 Vorsitzender der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens, 1973 bis 1977 stellvertretender Vorsitzender der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen (KKL), 1981 bis 1986 Leitender Bischof der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche (VELK), 1982 bis 1986 KKL-Vorsitzender und damit höchster evangelischer Würdenträger der DDR, 1983 bis 1991 einer der sieben Präsidenten des Weltkirchenrats.
In ihren Beurteilungen zählten die SED-Staatsfunktionäre und die Stasispitzel Bischof Hempel nach anfänglichem Mißtrauen zu den "loyalen" und "zuverlässigen" Kräften, von einem Abstand sprechen die Berichte der doch so verdachtsbereiten Überwacher und Gesprächspartner nicht. Auch wenn es Reibungen gab, legte der Bischof wert darauf, daß seine Haltung zum realen Sozialismus nicht in Zweifel gezogen wurde. Schon 1973, als der Staat mit Hilfe einer neuen Veranstaltungsverordnung (WO) den Pfarrern, die sich mit der geforderten "Theologisierung der Kirche" nicht abfinden wollten, die Instrumente zeigte, erklärte der Bischof in einem Streitgespräch mit Mitarbeitern des Referats Kirchenfragen im Dresdener Bezirksrat laut Protokoll: "Wir respektieren, daß wir in einem atheistisch geprägten Staat leben, daran haben wir uns gewöhnt, wir rümpfen nicht mehr darüber die Nase, daß es eine atheistische Propgaganda gibt. Wir sehen aber keinen Weg, unsere Haltung an der WO zu ändern. Wie das alles weitergeht, weiß ich nicht, Sie haben die Macht. Trotzdem ist unser Ja zum Sozialismus ehrlich gemeint, es ist weder Taktik noch Heuchelei. Wenn Sie unsere Gespräche mit Westbesuch belauschen könnten, würden Sie hören, daß wir nur das Positive sagen."
Kein Wunder, daß Bischof Hempel ein gestörtes Verhältnis hatte zu den meisten Menschen, die die Politik der SED aus dem Land trieb. Ein Informationsbericht des Bezirksrats aus dem Frühjahr 1988 zitiert ihn mit den Worten: "20 % der Antragsteller haben Gründe, die wir akzeptieren müssen. 40 - 60 % nennen Gründe, die wir ablehnen müssen. 20 % der Antragsteller halte ich schlechtweg (sie!) für verrückt."
Noch wenige Tage vor dem Untergang der realsozialistischen Herrlichkeit, am 2. Oktober 1989, erklärte Hempel gegenüber dem Staatssekretär für Kirchenfragen, Kurt Löffler, er habe sein Land, die DDR, "geliebt und es für die menschlichste Lösung einer Gesellschaftsordnung gehalten". Kurze Zeit später sagte Hempel SED-Funktionären: "Ich denke voller Hochachtung an die Gespräche mit Herrn Honecker. Ich achte ihn sehr."
Bischof Hempel hatte zu den Initiatoren der Unterredung der BEK-Spitze mit dem Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker am 6. März 1978 gezählt, bei der beide Seiten "mit Befriedigung" feststellten, "daß die Beziehungen der Kirchen zum Staat in den letzten Jahren zunehmend von Sachlichkeit, Vertrauen und Freimütigkeit geprägt werden". Gewiß, es blieben bis zum Ende der SED-Diktatur Konfliktpunkte, die das vielbeschworene Staat/Kirche-Verhältnis belasteten, weil die historische Identität des DDR-Kirchenbundes ein vollkommenes Einschwenken auf den einheitssozialistischen Kurs nicht zuließ. Vor allem die "Volksbildung" und hier besonders der Wehrkundeunterricht waren ein steter Zankapfel. Außerdem waren viele Kirchenvertreter nicht einverstanden mit der Bausoldatenregelung, auch wenn diese eine einmalige Rarität im sozialistischen Lager darstellte.
Bischof Johannes Hempel allerdings war kein Freund der SOFD-Initiative Christoph Wonnebergers, und er war auch kein Freund dieses mutigen Pfarrers. Im Dezember 1981 berichtete Genosse Sabatowska, Stellvertreter des Leipziger Oberbürgermeister für Inneres, von Gesprächen mit Kirchenleuten, aus denen sich ergebe, "daß man als Kirche von der Formulierung SOFD abgegangen ist. Es wird die Meinung vertreten, daß diese bei den staatlichen Stellen Mißverständnisse hervorgerufen habe. Obwohl man an der inhaltlichen Seite festhält, orientiert man jetzt auf einen 'Wehrersatzdienst im sozialen Bereich'.
Hier ist durchaus ein Zusammenhang zu sehen zur Auffassung von Bischof Dr. Hempel, die er im Gespräch mit Gruppen dieser Initiative anläßlich der Tagung der Herbstsynode der Landeskirche Sachsen in Dresden geäußert hat, indem er darauf hinwies, bestehende Möglichkeiten besser zu nutzen (Wehrersatzdienst), ehe man nach neuen Alternativen sucht."
Aber Wonneberger erwies sich als unbelehrbar. Immer wieder initiierte er Aktionen und Veranstaltungen, die die SED bis zur Weißglut reizten. Bischof Hempel und seine Kirchenleitung distanzierten sich in Gesprächen mit Staatsfunktionären von ihrem Bruder. Landeskirchenamts-Präsident Kurt Domsch rief den widerspenstigen Geistlichen zur Ordnung, als dieser den verpönten und bald darauf ausgebürgerten Barden Stephan Krawczyk in seiner Kirche singen ließ; überall sonst hatte der Liedermacher längst Auftrittsverbot. Da Wonneberger nicht nachgab, erhielt er einen rüden brieflichen Anpfiff seines Bischofs. Die Stasi las mit und freute sich: "Lieber Bruder Wonneberger! Heute ist mir (...) unter vielem anderen auch über das Gespräch zwischen Herrn Präsidenten Dr. Domsch und Ihnen berichtet worden. Dem Bericht zufolge ( - ich gehe also jetzt davon aus, daß es so ist - ) haben Sie sich in Bezug auf den Abend mit Herrn Stephan Krawczyk den ernsten Bedenken der Kirchenleitung nicht öffnen können. (Wenn es anders ist, um so besser, dann ist mein Brief überflüssig.) Deshalb möchte ich Ihnen klipp und klar schreiben, daß ich vollkommen mit meiner eigenen Überzeugung hinter den Darlegungen von Präsident Dr. Domsch stehe. Sie werden im Wiederholungsfall mit einer ernsten Auseinandersetzung rechnen müssen, in die ich mich meinerseits einschalten werde. Wir kennen uns seit langem, Bruder Wonneberger, und schätzen beide die Wirklichkeit. Deshalb: Das ist eine Warnung. Mit einem Abend des Inhaltes, wie er mir nachträglich bekannt geworden ist, verlassen Sie Ihren Auftrag als Pfarrer unserer Landeskirche und stellen damit Ihren Dienst in Frage."
Die Stasi hatte allen Grund, stolz einzuschätzen, "daß durch die eingeleiteten Maßnahmen zur Fortführung des Differenzierungsprozesses im kirchlichen Bereich die Stellung des W. (Wonneberger; d. Verf.) gegenüber der Kirchenleitung, insbesondere zum Landesbischof Dr. Hempel, weiter geschwächt worden ist und dadurch Maßnahmen der weiteren Disziplinierung des W. gegeben sind".
Als der Meißener Superintendent Eduard Berger, heute Bischof in Greifswald, sich in einem Rundbrief mit Krawczyk und dem schon Jahre zuvor heimatlos gemachten Wolf Biermann solidarisierte, intervenierten die Staatsvertreter im Landeskirchenamt. Bischof Hempel und Präsident Domsch genügten der "staatlichen Erwartungshaltung" und mahnten Berger ab. In einer Information des Dresdener Bezirksrats über ein Gespräch zwischen Walter Fuchs und Kurt Domsch im Februar 1988 wird die Position des Kirchenamtspräsidenten wie folgt wiedergegeben: "Das 'Rundschreiben' Sup. Bergers sei auf Veranlassung des Bischofs und des LKA zurückgezogen worden. Man habe sofort gehandelt und dulde ein solches Schreiben nicht. Es seien sowohl vom Bischof als auch vom LKA ausführliche Gespräche mit Berger geführt worden. (...) Es wird eingeschätzt, daß die Zielstellung des Treffens erreicht wurde."
Im Sommer 1989, kurz vor dem Zusammenbruch des SED-Staats, muß Präsident Domsch nach langer Krankheit sein Amt aufgeben. Aus diesem Anlaß erhält er vom Ratsvorsitzenden des Bezirks ein freundliches Schreiben mitsamt einem Präsent. Artig bedankt sich Domsch in einem Schreiben für das "außerordentlich wertvolle Geschenk" und die freundlichen Worte: "Sie haben mir damit eine große Freude gemacht. (...) Auch ich hoffe, daß wir einander nicht aus den Augen verlieren und sende Ihnen zugleich im Namen meiner Frau herzliche Grüße mit der Bitte, Herrn Dr. Lewerenz und die Mitarbeiter im Sektor Kirchenfragen ebenfalls zu grüßen."
Selbstverständlich werden manche empört die Zumutung zurückweisen, daß ihnen auf der Grundlage von SED- und Stasiakten Vorwürfe gemacht werden. Bischof Hempel allerdings scheint sie für so zuverlässig zu halten, daß er sie benutzt, um sich vorauseilend zu rechtfertigen. Diese Quellen haben sich in der Tat als recht genau erwiesen. Das liegt auch daran, daß ihre Verfasser immer damit rechnen mußten, daß es über ein Gespräch oder ein Ereignis nicht nur einen Bericht geben würde - die IMs waren fast überall. Und bei allem ideologischen Zungenschlag in den Akten, bei allem spätstalinistischen Kauderwelsch, falsche Berichterstattung war ein Delikt unter SED-Funktionären.
Aber es gäbe natürlich einen Weg, um im Einzelfall den Aussagewert von Akten solcher Provenienz zu überprüfen. Die sächsische Kirchenleitung müßte nur ihre Archive öffnen und Bischof Hempel seine ganze Stasiakte freigeben und nicht nur vorsortierte Kurzauszüge. Die Archivöffhung aber verweigert die sächsische Kirchenleitung genauso wie alle anderen ostdeutschen Landeskirchen. Hempel hat erklärt, das gehe nur über seine Leiche. Am 13. Oktober 1992 lehnte er die Anfrage eines Leipziger Bürgerrechtlers ruppig ab: "Gestern haben wir im Kollegium schließlich entschieden, Ihnen unsere (wenigen) Protokolle über Konfliktgespräche mit dem damaligen Rat des Bezirkes Leipzig bis auf weiteres nicht zur Verfügung zu stellen. Unsere Gründe dafür sind:

Wir sehen nicht durch, wer alles diese Protokolle am Ende zu lesen bekommt, kopieren kann, mit welcher Sachkenntnis mit ihnen umgegangen wird und mit welchem interpretorischen Ziel.
Wir weisen noch einmal darauf hin, daß die Vertrauensbasis zu einzelnen Leipziger Bürgerrechtlern leider noch nicht wiederhergestellt ist. Bisher saßen wir stets 'auf der Anklagebank'. (...)
Es gibt inzwischen mehrere Leipziger Aktivitäten zur Aufarbeitung der Vergangenheit. Finden Sie das gut?"

Und auch der Heidelberger Kirchenhistoriker Gerhard Besier bekommt sein Fett weg, indem Hempel ihm die Kompetenz abspricht, über das Verhalten der DDR-Kirchen zu urteilen. Schließlich sei er "keinen Meter in unseren Schuhen gelaufen". Demnach ist Geschichtsschreibung gänzlich unmöglich, es sei denn, man ist dabeigewesen.
In einem Brief der Berliner EKD-Außenstelle an den Präsidenten des Kirchenamtes der EKD vom 13. April 1992, unterschrieben von Siegfried Bräuer, zu DDR-Zeiten Cheflektor der Evangelischen Verlagsanstalt, heißt es zu einem Archivbenutzungsantrag Besiers, daß die ostdeutschen Landeskirchen "zurückhaltend auf das Thema geschütztes Archivgut" reagierten. "Besonders die Ev.-Lutherische Landeskirche Sachsens hat Bedenken geäußert. Die östlichen Landeskirchen haben eine Ausnahmegenehmigung zur Einsicht in das geschützte Archivgut an Kriterien gebunden. Sie halten eine kirchliche Beauftragung und die Angabe eines klar umrissenen Forschungsprojektes für erforderlich. Beides ist aus dem Antrag von Herrn Professor Besier nicht erkennbar." Das heißt im Klartext: Kirchenkritiker haben in kirchlichen Archiven nichts zu suchen.
Im April hat der Dresdener Oberlandeskirchenrat Volker Kreß Johannes Hempel als Bischof abgelöst, was bedeutet, daß das Archiv der sächsischen Landeskirche fest verschlossen bleibt. Denn Kreß, Träger der Ehrennadel der Nationalen Front in Silber, hat wohl einigen Grund, die Vergangenheit ruhen zu lassen. Im Frühjahr 1989 schätzte der Sektor Kirchenfragen des Dresdener Bezirksrats das Mitglied der kommunistisch gesteuerten Christlichen Friedenskonferenz (CFK) als "realistisch denkend und loyal eingestellt" ein. Am 30. Mai dieses Jahres beurteilte der Sektor Kirchenfragen die Lage im Landeskirchenamt Dresden mit folgenden, fast schon euphorischen Worten: "Nach dem Ausscheiden von OKR Rau (Ruhestand) wird der bisherige Superintendent von Bautzen, Volker Kreß, diese Aufgabe übernehmen und damit auch für die Staat/Kirche-Beziehungen zuständig sein. Seine deutlich progressivere Profilierung wird allerdings zunächst scharf durch den Handlungsrahmen der Kirchenbehörde, die er nun zu vertreten hat, begrenzt. Kreß ist staatlicherseits vor einer politischen Überforderung zu bewahren."
Idea, Dokumentation Nr. 25/1994

 

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